Forderungen zur Kommunalwahl 2024

2022 hat der Gemeinderat beschlossen, dass Freiburg 2035 klimaneutral sein soll. Damit kommt er, wenn auch spät, einer Forderung der lokalen Klimabewegung nach. Was fehlt, ist ein Plan, wie dieses Ziel erreicht wird: Die Stadt operiert noch auf Grundlage des Klimaschutzkonzepts (KSK) von 2019, das auf Klimaneutralität 2050 abzielt. Sie möchte die Maßnahmen laut eigener Aussage einfach ein bisschen schneller umsetzen. Das ersetzt jedoch keine wissenschaftlich fundierte Planung und sichert keineswegs die Erreichung des Ziels in sozial verträglicher Form. Eine Fortschreibung des KSK steht sowieso an, da das 2019 verfasste Konzept nur auf 4 Jahre ausgelegt war.

Alle Pläne, Entscheidungen und Tätigkeiten der Stadt müssen auf das Ziel der Klimaneutralität 2035 zugeschnitten werden. Das sind sie bisher nicht und stehen teilweise sogar im Widerspruch dazu:

Die Maßnahmen des Klimamobilitätsplans bewirken voraussichtlich eine Verkehrsreduktion von 9% bis 2030[1], obwohl eine durch die Stadt beauftragte Studie herausgefunden hat, dass der motorisierte Personenverkehr bis 2035 um 60% zurückgehen müsste[2]. Gleichzeitig verschiebt der Klimamobilitätsplan den größten Teil der CO2-Reduktionslast in die Zukunft. Bis 2030 sollen 40% eingespart werden, die restlichen 60% müssten also in nur 5 Jahren reduziert werden. Das widerspricht dem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2021[3], das betont, dass eine Verschiebung der Reduktionslast in die Zukunft unzulässig ist, da dies die Freiheit der jungen und ungeborenen Generationen übermäßig einschränkt.

Der Masterplan Wärme ist auf Klimaneutralität 2050 ausgelegt. In aktuellen Folien der Stadt gibt es nur eine Anpassung: Das Zieljahr 2050 wird durchgestrichen und durch 2035 ersetzt[4]. Lediglich das Zieljahr austauschen aber die Schritte dorthin gleichzulassen, hat nichts mit einer ernsthaften und wissenschaftlich fundierten Planung zu tun, sondern ist eher eine Form der Irreführung. Auch hier ist es dringend notwendig, die Maßnahmen und Zwischenziele anzupassen.

Von hoher Bedeutung für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors ist die energetische Sanierung. Legt man die Zielsetzung des aktuellen KSK zu Grunde (63% des Gebäudebestands sollen im Jahr der Klimaneutralität saniert sein), müsste die Sanierungsrate von aktuell rund 1% auf 5,25% steigen. Die Stadt muss also auch dafür dringend einen Plan entwickeln. Dazu gehört auch, zu untersuchen, wie hoch der Arbeitskräftebedarf im Handwerk (aufgeschlüsselt nach Gewerken) ist. Natürlich müssen dann entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, die die Zahl der Handwerker*innen erhöhen.

Wenn Teile der notwendigen Maßnahmen nicht im kommunalen Bereich liegen, muss die Stadt sich frühzeitig an Land und Bund wenden, damit die gesteckten Ziele nicht fromme Wünsche bleiben, sondern handfeste Realität werden.

Selbstverständlich muss die Stadt die entwickelten Pläne auch tatsächlich umsetzen. Zwar hat sie für ihr Klimaanpassungskonzept mehrere Preise gewonnen, tut in den entscheidenden Handlungsfeldern Entsieglung, Walderhalt oder Schaffung von Kaltluftschneisen aber genau das Gegenteil (vgl. Forderung Netto-Null Flächenversiegelung).


[1] Stadt Freiburg: Klimamobilitätsplan Freiburg 2030. 2023, S.51.

[2] Kenkmann, Tanja: Kurzgutachten: Prüfung eines Szenarios für ein schnelleres Erreichen der Klimaneutralität bis 2035. Öko-Institut, 2019, S.7

[3] Bundesverfassungsgericht: Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021. 2021

[4] Stadt Freiburg: UKA_2023_05_02_Anlage_TOP_3. 2023.

Die Verkehrsleistung im motorisierten Personenverkehr muss zur rechtzeitigen Erreichung der städtischen Emissionsziele bis 2035 um 60% sinken[5], wie ein von der Stadt beauftragtes Kurzgutachten zeigt. Im Klimamobilitätsplan der Stadt wird jedoch nur eine Reduktion von 9% angestrebt. Aus dem 60%-Reduktionsziel bis 2035 (gegenüber 2014; in Personenkilometern) ergeben sich folgende Zwischenziele (lineare Reduktion, Annahme, dass die Verkehrsleistung 2023 ungefähr der von 2019 entspricht): mindestens -20% bis 2027 und mindestens -35% bis 2030.

Eine konsequente Reduktion des motorisierten Verkehrs bringt vielfältige Vorteile mit sich wie eine bessere Luftqualität, Flächengewinne und mehr Verkehrssicherheit. Wenn in der städtebaulichen Entwicklung das Modell der Stadt der kurzen Wege konsequent verfolgt und Verkehrsvermeidung stets mitgedacht wird, wird es vielen Menschen in und um Freiburg möglich, ihre Alltagsziele zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem öffentlichen Personennahverkehr schnell und unkompliziert zu erreichen.

Zur Erreichung dieser Verkehrsreduktion muss die Stadt Freiburg verschiedene Maßnahmen ergreifen:

Wir fordern, dass die Stadt gemeinsam mit den umliegenden Landkreisen und Gemeinden ein umfassendes Verkehrsvermeidungskonzept erarbeitet und umsetzt und so eine Region der kurzen Wege mit wenig Pendelverkehr schafft (vgl.Maßnahme E2 Klimamobilitätsplan, schnellere Umsetzung nötig). Um Fahrten zu reduzieren, ohne die Lebensqualität einzuschränken, müssen die alltäglichen Ziele (Lebensmittelladen, Arbeitsplatz, Arztpraxis, Sportverein, …) zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV erreichbar sein. Dies gilt für die umliegenden Gemeinden sowie die Stadtteile. Dieses Szenario der kurzen Wege finden 80% der Menschen in Deutschland[6] ansprechend. Um dies zu ermöglichen, braucht es eine detaillierte Analyse des Binnen-, Ziel-, und Quellverkehrs in Freiburg, um herauszufinden, was die Menschen zu langen Wegen zwingt. Folgende Fragen müssen beantwortet werden: Wo braucht es lokale Einkaufsmöglichkeiten, Freizeitangebote oder Coworking-Spaces? Wo fehlen sichere Fuß- und Radwege?  Auf welchen Routen sind Push-Maßnahmen nötig, weil die Pkw-Fahrt zu attraktiv ist? Welche Übergangsfristen und Ausnahmen sind nötig, um die Unterstützung der Bevölkerung zu erhalten? Dazu braucht es eine entsprechende, unterstützende Kommunikation (siehe Leitfaden des Umweltbundesamtes zur Kommunikation von Suffizienz im Verkehrsbereich[7]). 

Der Radverkehr muss durch verschiedene Maßnahmen deutlich attraktiver gemacht werden:

  • Es muss entweder ein sicherer Mischbetrieb durch geringere Geschwindigkeiten gewährleistet oder der Radverkehr durch eine bauliche Trennung geschützt werden.
  • Bei Straßen mit Radverkehr sollten parallel verlaufende Parkmöglichkeiten abgeschafft werden, um Unfälle durch öffnende Autotüren zu vermeiden (Dooring-Unfälle).
  • Der Schlossbergring ist zwar eine wichtige Verkehrsachse für den Radverkehr, aber für Radfahrer*innen nicht sicher. Es sollte hier eine gesamte Verkehrsrichtung für den Fuß- und -Radverkehr reserviert werden (vgl. Forderung Fuß- und Radentscheid).
  • Die konsequente Priorisierung der Radinfrastruktur muss auch auf die Kartäuserstraße als wichtige Route von Littenweiler in die Innenstadt ausgeweitet werden.
  • Die Ampelschaltungen müssen konsequent am Umweltverbund ausgerichtet werden und sich entsprechend an den Geschwindigkeiten von Fahrrädern und ÖPNV orientieren. 
  • Der Hauptbahnhof soll als Aushängeschild der umweltfreundlichen Mobilität zu einer Mobilitätsstation ausgebaut und die Bahnhofsgarage zu einer Fahrradgarage und einem Mobilitätshub für innerstädtischen Verkehr umgestaltet werden.

Der öffentliche Personennahverkehr soll ticketlos und damit kostenfrei genutzt werden können und auch multimodale Angebote des Umweltverbundes brauchen attraktive Preise (siehe Maßnahme B2 im Klimamobilitätsplan) und simple Tarifmodelle. Lokal gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Umweltverbund finanziell attraktiv zu gestalten wie z.B. die Verbreitung der Möglichkeiten des Umweltverbunds in Zusammenarbeit mit Vermieter*innen und Arbeitgeber*innen, Ausbau der Mobilitätsplattformen, Bekanntmachung von Möglichkeiten zur Vernetzung verschiedener Verkehrsträger, usw. Dabei muss Mobilität besonders gesellschaftlichen Gruppen mit eingeschränkten finanziellen Ressourcen zugänglich gemacht werden. Daher fordern wir die Stadt dazu auf, sich gemeinsam mit anderen Gemeinden für die Einführung eines bundesweit permanenten 9€-Tickets und perspektivisch ticketlosen ÖPNV einzusetzen.

Autofreie Innenstadt, um sie lebenswert und lebendig zu gestalten und das Klima zu schützen. Damit haben andere Städte bereits gute Erfahrungen gemacht: Beispielsweise schloss die slowenische Hauptstadt Ljubljana 2007 ihre Innenstadt für den motorisierten Individualverkehr und nutzte den freiwerdenden Platz für Fußgänger*innenzonen, Radwege und Grünflächen. Mittlerweile befürworten dies etwa 90% der Bewohner*innen[8]. Daher fordern wir Freiburg auf, einen Plan zu erarbeiten, wie die Innenstadt zwischen Schlossbergring, B31, B3 und Leopoldring schrittweise autofrei werden kann.Das beinhaltet die schrittweise Umnutzung bzw. den Rückbau aller innerstädtischen Parkgaragen, Parkhäuser und Parkplätze (bei privaten Parkflächen kann die Stadt auf diverse rechtliche Mittel zurückgreifen und im Zweifel eine Umwidmung erzwingen – vgl. Forderung zu Netto-Null Flächenversiegelung). Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst, weitere Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, Handwerker*innen, Lieferverkehr, Menschen mit starken Einschränkungen, etc. sind selbstverständlich von dieser Maßnahme ausgenommen.

Folgende Maßnahmen sichern, dass die Innenstadt weiterhin gut erreichbar ist: 

  • Deutliche Verbesserung des ÖPNV-Angebots in der Innenstadt (vgl. Maßnahme B1 im Klimamobilitätsplan) und vom ländlichen Raum in die Stadt – u.a. durch den zweigleisigen Ausbau zwischen Breisach und Himmelreich und die Nutzung der Güterbahnstrecke durch S-Bahnen inklusive der Einrichtung drei neuer Haltepunkte. 
  • Umsetzung der genannten Maßnahmen zu attraktivem Radverkehr und günstigem ÖPNV. 
  • Verbesserung des Park-and-Ride-Angebots an der Peripherie (vgl. Maßnahme A3 Klimamobilitätsplan), und weitere multimodale Angebote.

Im gesamten Stadtgebiet müssen die Pkw-Stellplätze massiv reduziert und durch eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung adäquat bepreist werden. Um alle mitzunehmen und die resultierenden Vorteile erfahrbar zu machen, muss die Stadt diese offensiv kommunizieren und die freiwerdenden Flächen gemeinsam mit Bürger*innen gestalten.

Die Planung des Stadttunnels muss gestoppt werden. Dessen Ziel, den Verkehr so zu reduzieren, dass die Oberfläche umgestaltet werden kann, wird mit den genannten Maßnahmen erreicht und der Planungsstopp hat viele Vorteile: freiwerdende Planungs- und Baukapazitäten, Emissionsreduktion, Verkehrsreduktion, geringere Schadstoff- & Lärmemissionen und eine schnelle Verbesserung der Lebensqualität der Anwohner*innen statt mehrjähriger Baustelle mit Verkehrschaos. Dafür braucht es zusätzlich ein Konzept zur Verkehrsvermeidung, -verlagerung und -verbesserung im straßengebundenen Gütertransport, das regionale Wirtschaftskreisläufe ermöglicht und anwohner-verträglich ist (u.a. mit Lastenrädern). Zur Finanzierung kann die Stadt dafür werben, einen Teil der für den Tunnelbau vorgesehenen Mittel für ein wissenschaftlich begleitetes Pilotprojekt zur konsequenten Verkehrsreduktion einzusetzen. 

Als Maßnahme, die das Verursacherprinzip volkswirtschaftlicher Kosten konsequent berücksichtigt, hat eine Pkw-Maut eine wichtige Lenkungswirkung. Aktuell werden die Kosten des motorisierten Individualverkehrs (resultierend aus CO2-Emissionen, Luftverschmutzung, Gesundheitsschäden und Infrastrukturkosten) nicht von den Verursacher*innen, sondern der Gesellschaft getragen. Diese können durch eine fahrleistungsabhängige Bepreisung gedeckt werden (z.B. orientiert an Emissionsklasse, Gewicht, oder Leistung des Fahrzeugs). Als „Anti-Stau-Gebühr“ mit höheren Sätzen in Spitzenzeiten kann damit die bestehende Infrastruktur besser ausgelastet werden, sodass keine neue gebaut werden muss. Diese allgemeine Pkw-Maut kann nur auf Bundesebene umgesetzt werden. Deswegen muss sich die Stadt Freiburg gemeinsam mit anderen Kommunen dafür einsetzen.


[5] Kenkmann, Tanja: Kurzgutachten: Prüfung eines Szenarios für ein schnelleres Erreichen der Klimaneutralität bis 2035. Öko-Institut, 14.08.2019, S. 7.

[6] UBA: Weniger Verkehr, mehr Lebensqualität, Mai 2022, S. 11.

[7] Ebd.

[8] Köllinger, Clauß: Pedestrianisation of Ljubljana city centre. In: Eltis, 15.12.2019.

Wie die Stadt selbst in ihrem Klimaschutzkonzept darlegt, bringt Entsiegelung viele Vorteile mit sich. Deswegen werden für die besonders hitzebelasteten Orte Entsiegelungsmaßnahmen vorgeschlagen. Ein geringer Versiegelungsgrad hat viele Vorteile: Kühlung,Grundwasserbildung, Erhaltung natürlicher Bodenfunktionen, Bodenschutz, Überflutungsschutz, Erhalt von Biodiversität, mehr Fläche für Lebensmittelanbau und die Erhaltung von CO2-Speicherkapazitäten im Boden[15]. Angesichts der steigenden Zahl an Tagen mit hoher Hitzebelastung und des geringen Grundwasserstandes sind konsequente Maßnahmen erforderlich. Daher sollten auf der städtischen Gemarkung keine neuen Flächen versiegelt und vor allem in Hotspots und im Stadtbereich entsiegelt werden. Werden doch neue Flächen versiegelt, so müssen Flächen der gleichen Größe entsiegelt werden. Bei einer Teilentsiegelung muss die entsiegelte Fläche doppelt so groß sein[16].   

Dafür sollte die Stadt alle ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel nutzen[17], z.B.:  

  • Berücksichtigung bei Neuplanung und Sanierung
  • Städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen (§136 Abs.2 BauGB) zur Beseitigung städtebaulicher Missstände (z.B. fehlende Klimaanpassung oder ungesunde Wohn- & Arbeitsverhältnisse)
  • Stadtumbau (§ 171a BauGB): Maßnahmen zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen, wenn erhebliche städtebauliche Funktionsverluste zu erwarten sind. Z.B. durch fehlende Klimaanpassung, hohe Energiekosten, zunehmende Hitze oder Hochwassergefahr.
  • Schaffung eines „Umbaugebots im Bestand“ in Anlehnung an das Baugebot (§176 BauGB) bzw. Modernisierungs- & Instandsetzungsgebot (§177 BauGB), mit dem die klimaangepasste Umgestaltung von versiegelten Flächen angeordnet werden kann. 
  • Nutzung des Förderprogramms „Flächen gewinnen durch Innenentwicklung“ des Landes und Einsatz eines*einer darin geförderten Flächenmanagers*Flächenmanagerin[18] 
  • Bauleitplanung & Bebauungsplänen (ggf. Überplanung versiegelter Flächen): Aspekte von Bodenschutz, Flächensparen und Klimaanpassung sind bereits als Grundsätze im BauGB verankert (§§ 1 und 1a). Wenn bestimmte Flächen dem Bebauungsplan nicht entsprechen, können die Besitzer*innen zur Duldung einer Entsiegelung verpflichtet werden (Rückbaugebot nach § 179 BauGB). Vorher sollte natürlich versucht werden, eine gemeinsame Lösung zu finden.

[15] vgl. Dombrowski, Katja: Unterm Asphalt ist kein Leben. Klimareporter°, 2019.

[16] Vgl. UBA: Bessere Nutzung von Entsiegelungspotenzialen zur Wiederherstellung von Bodenfunktionen und zur Klimaanpassung. 2021.

[17] Ebd.

[18] Flächenmanagement. MLW Baden-Württemberg, Abgerufen am 15.08.2023

Wohnen ist eine bedeutende soziale Frage. Wohnraum gilt als knapp und die Mieten sind in letzter Zeit gestiegen. Wenn wir nicht gegensteuern, wird sich das Problem in Zukunft durch die alternde Gesellschaft verschärfen – bei Todesfällen oder Auszug nimmt der Pro-Kopf-Wohnraum eines Haushaltes zu.  Schon jetzt leben wir durchschnittlich auf immer mehr Fläche – in Freiburg sind es mittlerweile etwa 38m² pro Kopf. Der Wohnraum ist jedoch nicht gerecht verteilt: Menschen mit hohem Einkommen wohnen durchschnittlich auf fast doppelt so großer Fläche wie Menschen mit geringem Einkommen[9]. In Freiburg gibt es etwa 13 700 deutlich zu große Wohneinheiten (Einpersonenhaushalte >80m² und Zweipersonenhaushalte >120m² Wohnfläche)[10]. Eine gerechtere Aufteilung eines Großteils der Wohnfläche würde bereits ausreichen, um das prognostizierte Bevölkerungswachstum (oberes FNP-Szenario) vollständig aufzufangen.  Gleichzeitig würde durch diese Neuaufteilung das Angebot an kleinen, bezahlbaren Wohneinheiten massiv steigen.

Es ist klar: Wir haben keinen Mangel an Wohnraum, sondern ein Verteilungsproblem. Bereits bei einem minimalen Rückgang der Pro-Kopf-Wohnfläche auf 36m² kann die Wohnraumknappheit ohne Neubau gelöst werden. Laut einer Befragung in der Schweiz werden genau diese 36m² Pro-Kopf- Wohnfläche als angemessen angesehen[11]. Eine bessere Verteilung von Wohnraum bedeutet also nicht, dass Menschen auf weniger Fläche leben müssen als sie als angemessen empfinden.

Daher fordern wir einen Stopp sämtlicher Neubaugebiete. Eine Umverteilung von Wohnraum bietet gegenüber Neubau zahlreiche Vorteile für Stadt und Bewohner*innen:

  • Deutliche Reduktion von grauer Energie (Produktion, Transport, etc. von Baumaterialien) und damit Einsparung von einer signifikanten Menge von CO2
  • Einsparung von Ressourcen
  • Reduktion der Flächenversiegelung: Etwa die Hälfte der Flächenversiegelung lässt sich auf Neubau zurückführen[12] (siehe Forderung zu Flächenversiegelung).
  • Einsparung städtischer Gelder für die Errichtung neuer Infrastruktur
  • Freiwerden von Handwerks- und Planungskapazitäten für die notwendige Sanierungsrate von 5,25% mit hinreichender Sanierungstiefe (vgl. Forderung Klimaschutzkonzept)

Folgende Zwischenziele für den pro-Kopf-Wohnraum ergeben sich aus der maximal erwarteten Bevölkerungsentwicklung (oberes FNP-Szenario) bei einem konstanten Gesamtwohnraum:

  • 2027: 37,4 m² (bei 236 000 Einwohner*innen) 
  • 2030: 36,9 m² (bei 239 000 Einwohner*innen) 
  • 2035: 36,1 m² (bei 244 000 Einwohner*innen) 

Wir fordern, die Bedingungen in Freiburg so zu ändern, dass es leicht ist, in eine Wohneinheit mit angemessener Größe zu ziehen. Dazu braucht es eine Kombination von Push- und Pull-Maßnahmen:

  • Beratung und Ermutigung zum Umzug 
  • Bekanntmachung bestehender Angebote
  • Gegen leerstehenden Wohnraum vorgehen
  • Umsetzung von Maßnahmen aus dem Klimaschutzkonzept (GB G-3): Öffentlichkeitsarbeit, Schaffung flexiblen Wohnraums in Neubau und Bestand, Beratung bei Haushaltsverkleinerung bzw. Renteneintritt, Wohnungstauschangebote, Unterstützung beim Umzug
  • Finanzielle Förderung zur Schaffung kleinerer Wohnungen im Bestand: Der Mangel an kleinen Wohnungen ist ein großes Hindernis für eine gute Wohnraumverteilung[13].
  • Bekanntmachung und Förderung von alternativen Wohn- und Eigentumskonzepten: genossenschaftliches Wohnen, Konzepte wie das Mietshäusersyndikat, etc.
  • Förderung von Haushaltsvergrößerungen (bspw. Wohngemeinschaften für Berufstätige, Senior*innen oder verschiedene Generationen)
  • Kommunale Wohnraumsteuer ab beispielsweise 40m² pro-Kopf, die mit größerer Wohnfläche steigt. Ziel ist es, finanzielle Anreize zu schaffen. Nach einer rechtlichen Einschätzung ist eine Wohnraumbesteuerung vergleichbar mit einer Zweitwohnungssteuer je nach Land möglich und die Einnahmen würden der Gemeinde zukommen[14]. Falls dies nicht der Fall sein sollte, muss sich Freiburg gemeinsam mit anderen Kommunen auf entsprechender politischer Ebene dafür einsetzen, wie sie es bereits erfolgreich für Tempo 30 getan hat. 
  • Obergrenze für den Pro-Kopf-Wohnraum im urbanen Stadtgebiet bei z.B. 50m²: Falls die obengenannten Maßnahmen für das Zwischenziel 2027 nicht ausreichen, muss die Stadt mit klaren Vorgaben für eine bessere Verteilung von Wohnraum sorgen. Dazu gehört eine Obergrenze von z.B. 50 m2 für den urbanen Raum. Um hierbei nicht zu überfordern, sind Übergangsfristen und genügend finanzielle und beratende Unterstützung notwendig. 
  • Kooperation mit umliegenden Gemeinden zur Verhinderung eines Ausweichens von Bautätigkeit

Es ist wichtig, dass die Stadt in diesem Bereich ökologische und soziale Probleme gemeinsam angeht. Es braucht Übergangsfristen, um auf individuelle Situationen Rücksicht zu nehmen und alle umfassend bei der Verkleinerung ihrer Wohnfläche zu unterstützen, ohne dass jemand auf einer übermäßig kleinen Wohnfläche leben muss.


[9] Vgl.: Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Armuts- und Reichtumsberich. Äquivalenzgewichtete Wohnfläche.

[10] Zensus: Wohnungen: Haushaltsgröße – Art der Wohnungsnutzung/Ausstattung der Wohnung/Fläche/Räume. 2011.

[11] Jenny, Annette: Die Entwicklung eines Masses zur Suffizienz. Universität Zürich, 2016.

[12] Sachverständigenrat für Umweltfragen: Umweltgutachten 2016. Impulse für eine integrative Umweltpolitik. 2016, S. 246f.

[13] Fischer, Corinna et al.: Konzept zur absoluten Verminderung des Energiebedarfs: Potenziale, Rahmenbedingungen und Instrumente zur Erreichung der Energieverbrauchsziele des Energiekonzepts. UBA, 2016, S. 349.

[14] Ekardt, Felix, Klinski, Stefan & Schomerus, Thomas: Konzept für die Fortentwicklung des deutschen Klimaschutzrechts. Metropolis, 2015, S. 391 ff. Zitiert in: Fischer et al., 2016.

Es braucht eine regelmäßigere, detailliertere und umfassendere Emissionsbilanzierung aller Sektoren, um Erfolge und Nachholbedarfe zu erkennen. Dabei müssen wissenschaftlich anerkannte Standards eingehalten werden. Aufwändige Bilanzierungen können kurzfristig approximiert (z.B. bei den landwirtschaftlichen Emissionen über den Tierbestand) und mittelfristig in die Bilanzierung mit einbezogen werden.  Mit einer verbesserten Datenerfassung und -übertragung wird der Aufwand der Erstellung einzelner Bilanzen vermindert. Leitungsgebundene Emissionen, die kontinuierlich erfasst werden können, sollen zeitnah übertragen und in eine kontinuierliche Bilanzierung einbezogen werden. Alle vorliegenden Daten müssen schnellstmöglich veröffentlicht werden.

Das aktuelle Klimamonitoring der Stadt Freiburg ist unzureichend. Es basiert auf der zweijährlich gemeinsam mit dem ifeu-Institut durchgeführten Klimabilanz nach BISKO-Standard. Diese ignoriert, im Gegensatz zum wissenschaftlich anerkannten Greenhouse Gas Protocol, Emissionen relevanter Sektoren (Agrar, Müll, Abwasser). Zudem ist es gemäß dem Verursacherprinzip wichtig, auch die Vorkettenemissionen zu erfassen (Scope 3). Mit der aktuellen Bilanzierungsmethodik laufen wir Gefahr, Emissionen zu verlagern, anstatt sie wirksam zu vermeiden oder reduzieren. Darüber hinaus ist die Bilanzierung nicht genau genug: Für die Evaluation von Klimaschutzmaßnahmen wichtige Daten über die zeitliche und räumliche Verteilung der Emissionen fehlen bislang. Zudem findet die Bilanzierung zu selten statt und dauert zu lange, um bei Zielverfehlung rechtzeitig nachsteuern zu können: Von der Emission bis zur Bilanzierung können aktuell bis zu 4 Jahre vergehen (2-jähriger Berichtszeitraum + Erstellung der Klimabilanz 1-2 Jahre). 

Für ein transparentes Monitoring brauchen wir ein öffentliches Klimadashboard (wie z.B. in Heidelberg[19]). Auf dieser Plattform sollen die jährlichen sektorspezifischen Emissionsbilanzen und -ziele möglichst aktuell aufgeführt werden. So wird für alle klar erkennbar, in welchen Bereichen die Stadt auf einem guten Weg ist und wo noch Nachholbedarf besteht. Außerdem soll es zu allen geplanten Klimaschutzmaßnahmen (Klimaschutzkonzept, Klimamobilitätsplan, Masterplan Wärme, etc.) übersichtlich und leicht verständliche Informationen zum aktuellen Umsetzungsstand, jährlichen CO2-Reduktionspotential und den nächsten geplanten Schritten enthalten.

Wichtig ist ebenfalls ein stringenter Nachsteuerungsmechanismus, der greift, wenn sektorale Klimaziele nicht eingehalten werden. Um schnell und adäquat auf eine Verfehlung reagieren zu können, ist es einerseits notwendig, dass bei Maßnahmen Eskalationsstufen mitentwickelt werden und das pro Sektor Maßnahmen vorgehalten werden, die bei einer Verfehlung schnell umgesetzt werden können.


[19] Stadt Heidelberg: Klimaschutzplan für Heidelberg. Abgerufen am 16.08.2023.

Die Ungleichheit in Deutschland hat ein historisch hohes Niveau erreicht: Es gibt sowohl hart arbeitende Menschen, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen bei geringem Stundenlohn gerade so über die Runden kommen, als auch sehr wohlhabende Menschen, die durch eine Erbschaft zu ihrem Vermögen gekommen sind. Die hohe Konzentration von Einkommen, Vermögen und Macht bei einigen Wenigen, ist nicht nur extrem ungerecht, sondern untergräbt auch unsere Demokratie. 

Neben dieser ethischen Dimension ergeben sich auch auf der kommunalen Ebene erhebliche Probleme: Der Einsatz von und die Akzeptanz für preisliche Klimaschutzinstrumente gestalten sich zunehmend schwierig, da es reiche Bevölkerungsteile gibt, die darauf kaum oder gar nicht reagieren, und ärmere Bevölkerungsteile, die durch höhere Preise von manchen Leistungen de facto ausgeschlossen werden.

Durch die Vermögenskonzentration in den Händen weniger Menschen, die nicht ausreichend besteuert werden, fehlt es vielen Kommunen an Geldern, um wichtige Projekte umzusetzen. Hier braucht es ein entschlossenes Umlenken. Die Stadt muss sich auf Bundesebene für eine konsequente und gerechte Steuerreform einsetzen. Dazu gehören eine Erbschaftssteuerreform, die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer, höhere Spitzensteuersätze, eine Finanztransaktionssteuer sowie eine synthetische Besteuerung von Lohn- und Kapitaleinkommen. 

Dies hätte zwei positive Effekte: Eine Gesellschaft, in der Vermögen gleichmäßiger verteilt ist, ist gesünder, solidarischer, resilienter und zufriedener. Des Weiteren wäre es durch die höheren Einnahmen auf Landes- und Bundesebene möglich, mehr Gelder an die Kommunen durchzureichen, die diese für die vielfältigen Aufgaben in der sozial-ökologischen Transformation dringend benötigen. 

Freiburg könnte hier als Pionierin agieren und, wie bei der Initiative für Tempo 30, weitere unterstützende Kommunen gewinnen. Diese Initiative ist wichtig, weil die maßgeblichen Gesetze zur Verringerung der ökonomischen Ungleichheit in Deutschland nur auf der Bundesebene verabschiedet werden können. 

Pressekonferenz zur Vorstellung der Forderungen

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